WM-Geschichte
2013: DLV-Team glänzt mit "Mannschaft der Zukunft"
Die deutschen Leichtathleten trumpften 2013 in Moskau groß auf. Die WM-Bilanz fiel mit viermal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze glänzend aus. Usain Bolt krönte sich bei den 14. Welt-Titelkämpfen zum bis dato erfolgreichsten WM-Athleten aller Zeiten, die russischen Gastgeber ließen Wünsche offen.
Die Spitzensportler und Hoffnungsträger des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) setzten bei der WM im nacholympischen "Übergangsjahr" gleich reihenweise Glanzpunkte und trugen sich in die Geschichtsbücher ein. So wie Raphael Holzdeppe. Der Youngster düpierte bei seiner imposanten Flug-Show in Moskau den französischen Favoriten Renaud Lavillenie und avancierte damit zum ersten deutschen Stabhochsprung-Weltmeister. Historisches gelang auch David Storl. Das junge Jahrhunderttalent wiederholte nach instabilen Leistungen im Vorfeld seinen Triumph von Daegu 2011 und gewann mit einer abgebrühten Vorstellung als erster deutscher Kugelstoßer das zweite WM-Gold in Folge. "Das ist einfach ein Wettkampf-Typ", lobte Diskus-Olympiasieger Robert Harting, der selbst seine Ausnahmestellung eindrucksvoll unter Beweis stellte: Der "Arm der Vergeltung", wie es der Berliner selbst formulierte, packte trotz erheblicher Rückenschmerzen einen 69,11-m-Wurf aus und machte damit den WM-Hattrick perfekt - hart, härter, Harting!
Obergföll gewinnt Gold und behält ihren Namen

Erst WM-Gold, dann Hochzeit: Speerwerferin Christina Obergföll und Trainer Boris Henry.
Für den emotionalen Schlusspunkt sorgte aus deutscher Sicht Speerwerferin Christina Obergföll: Die Offenburgerin gewann nach fünfmal Silber bei großen Meisterschaften nicht nur ihr erstes großes Gold, sondern auch eine Wette: Ihr Lebensgefährte und Trainer, Ex-Speerwerfer Boris Henry, musste bei der folgenden Hochzeit den Familiennamen der Weltmeisterin annehmen. Platz zwei und damit das erste deutsche WM-Edelmetall im Zehnkampf seit 16 Jahren gab es für den überragenden Michael Schrader, der nach kummervollen Jahren voller Verletzungen den Wettkampf seines Lebens bestritt und mit persönlicher Bestleistung von 8.670 Punkten Vize-Weltmeister wurde. In die Phalanx der Werfer brach außerdem Björn Otto ein. Der deutsche Rekordhalter holte bei Holzdeppes Geschichtsstunde Bronze und machte den Triumph der deutschen Stabhochspringer perfekt.
Nur wenige Enttäuschte
Enttäuschungen gab es wenige. Das russische Roulette traf diesmal die deutschen Hammerwerferinnen: Weder die Olympia-Dritte Betty Heidler noch Kathrin Klaas, in London immerhin Fünfte, kamen über die Qualifikation hinaus. Auch Zehnkämpfer Pascal Behrenbruch, der als Europameister und einziger Weltjahresbester im DLV-Team nach Moskau gereist war, blieb als Elfter weit hinter seinen Erwartungen zurück. Eine sehr gute Leistung zeigte Silke Spiegelburg, dennoch flossen bei der Leverkusener Stabhochspringerin einmal mehr Tränen: Zum fünften Mal schrammte sie bei einem internationalen Großevent an Edelmetall vorbei. Wie es ohnehin aus deutscher Sicht eine WM der knappen Entscheidungen war: Auch für Siebenkämpferin Claudia Rath, die Diskuswerfer Nadine Müller und Martin Wierig, Speerwerferin Linda Stahl sowie die Sprintstaffeln, die ebenfalls allesamt Vierte wurden, war Bronze zum Greifen nah. Weitspringer Christian Reif fehlten als Fünftem fünf Zentimeter zu Rang drei.
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Viermal Gold als "Sahnehäubchen"
Die Bilanz des DLV fiel dennoch überaus positiv aus. "Wir fahren mehr als zufrieden nach Hause. Und viermal Gold ist das Sahnehäubchen", resümierte Verbandspräsident Clemens Prokop. Mit vier Titeln, zweimal Silber und einmal Bronze lag der DLV im Bereich der vergangenen Großereignisse. Bei der WM 2011 in Daegu hatte es ebenfalls sieben Medaillen (3-3-1) gegeben, bei Olympia 2012 in London sogar acht (1-4-3) - allerdings mit deutlich weniger ersten Plätzen. Soviel Gold gab es zuletzt bei der WM 1999. Zudem erreichten zwei Dutzend Athleten immerhin einen Platz unter den Top Zwölf, rund 80 Prozent der DLV-Starter konnten in Moskau ihre Bestform zeigen oder waren sogar besser.
"Die Neuformierung der Nationalmannschaft ist erfolgreich eingeleitet, junge Athleten haben wichtige Erfahrungen sammeln können", bilanzierte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen. Die im Durchschnitt 25,1 Jahre junge deutsche Mannschaft hatte allein 15 U23-Talente mit dabei.
Zehn WM-Medaillen: Bolt überflügelt Lewis

Brust raus: Usain Bolt in Siegerpose.
Usain Bolt stockte mit dreimal Gold in der russischen Metropole sein Medaillenkonto bei Weltmeisterschaften auf achtmal Gold und zweimal Silber auf und löste mit gerade einmal 26 Jahren US-Star Carl Lewis als erfolgreichsten Leichtathleten der WM-Geschichte ab. Den großen Hype um den Jamaikaner gab es bei der WM von Moskau, die als vierte Titelkämpfe der Geschichte ohne Weltrekord blieb, indes nicht: Die russischen Fans, die allzu häufig nur spärlich die Reihen im Luschniki-Stadion füllten, ließen sich in ihrer Begeisterung vornehmlich vom Patriotismus lenken.
Provokativer Kuss auf dem Podest
In den Genuss überbordender Begeisterungsstürme kam beim Gewinn ihres insgesamt dritten WM-Titels Jelena Issinbajewa. International eckte die Stabhochsprung-Ikone aber mit ihren anschließenden Äußerungen zum russischen Anti-Homosexuellen-Gesetz an, das sie vehement verteidigte. Das war ihr gutes Recht, den Idealen der olympischen Bewegung entsprach das aber nicht. Für den eindrucksvollsten Protest gegen das umstrittene Gesetz sorgten ausgerechnet zwei russische Weltmeisterinnen: Bei der Siegerehrung für die 4x400-m-Staffel küssten sich Tatjana Firowa und Xenija Ryschowa provokativ auf den Mund.
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WM-Geschichte
Die besten WM-Athleten aller Zeiten
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Allyson Felix: Seit 2005 ist auf den WM-Treppchen immer ein Plätzchen reserviert für die US-amerikanische Sprinterin. Lediglich 2013 in Moskau heimste Felix verletzungsbedingt kein Edelmetall ein. Durch zwei Erfolge mit den Staffeln und Rang drei über 400 m in London 2017 wuchs die Sammlung der grazilen Kalifornierin auf 16 WM-Medaillen an - elfmal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze.
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Usain Bolt: Der Ausnahmesprinter aus Jamaika hat seit 2007 insgesamt 14 WM-Medaillen über 100, 200 und 4x100 m eingesammelt - elf goldene, zwei silberne und eine bronzene. Die Weltmeisterschaften in London waren die letzten für den Weltrekordler. Über 100 m holte er "nur" Bronze. Im Staffelfinale über 4x100 m musste Bolt als Schlussläufer mit einem Krampf aufgeben, über 200 m war er nicht am Start
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Carl Lewis: Der US-Amerikaner hat die Leichtathletik geprägt wie kaum ein anderer vor ihm. Zwischen 1983 und 1993 heimste Lewis im Sprint und Weitsprung insgesamt zehn WM-Medaillen ein - achtmal Gold, einmal Silber und einmal Bronze.
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Michael Johnson: Der US-Amerikaner hat insgesamt acht WM-Medaillen gewonnen - alle waren golden. Johnson beherrschte in den 1990er-Jahren die internationale Konkurrenz der Stadionrunden-Läufer. Sein bei der WM 1999 in Sevilla aufgestellter Weltrekord (43,18 Sekunden) hatte 17 Jahre Bestand. In Göteborg 1995 brachte der Texaner das Kunststück fertig, neben den 400 m und 4x400 m auch die 200 m zu für sich zu entscheiden.
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LaShawn Merritt: Der US-amerikanische Viertelmeiler hat es seit 2007 auf zehn Medaillen über 400 und 4x400 m gebracht: Siebenmal Gold und dreimal Silber schlagen für ihn zu Buche.
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Shelly-Ann Fraser-Pryce: Die Jamaikanerin sammelt seit 2007 WM-Medaillen. Neun sind es bislang für "Pocket Rocket" wie die gerade einmal 1,52 m große Jamaikanerin gerufen wird: sieben goldene und zwei silberne.
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Mohamed Farah: Der Weg des Briten mit somalischen Wurzeln ist golden. Sechs WM-Titel über 5.000 und 10.000 m hat das Langstrecken-Ass seit 2011 gesammelt, dazu noch zwei Silbermedaillen. 2017 wurde "Sir" Farah in den Adelsstand erhoben.
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Sergej Bubka: Der Ukrainer beherrschte den Stabhochsprung über Jahre und war der erste Sechs-Meter-Springer (1985). Von 1983 bis 1997 gewann Bubka sechs WM-Goldmedaillen für die UdSSR und die Ukraine.
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Gail Devers: Die US-Amerikanerin hat zwischen 1991 und 2001 insgesamt acht WM-Medaillen gekrallt. Fünfmal Gold und dreimal Silber gewann das Multitalent mit den langen Fingernägeln in den Disziplinen 100, 4x100 und 100 m Hürden.
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Sanya Richards-Ross: Die US-Amerikanerin jamaikanischer Herkunft sprintet seit 2005 regelmäßig auf die WM-Treppchen. Fünfmal Gold und zweimal Silber verbuchte sie seitdem über 400 m und mit der 4x400-m-Staffel der USA.
Stand: 01.08.19 14:25 Uhr