Kugelstoßen
Schwanitz: "Ich finde es toll, ein Vorbild zu sein"
von Bettina Lenner aus Doha
Seit Jahren ist sie das deutsche Gesicht des Kugelstoßens: Christina Schwanitz. Bei der Leichtathletik-WM in Doha sicherte sich die fast 34-Jährige ihr zehntes Edelmetall bei einer großen internationalen Meisterschaft. Ein Ende ihrer erfolgreichen Karriere ist nicht in Sicht. Auch, weil die Zwillingsmutter ein Vorbild sein will.
Christina Schwanitz muss kurz überlegen. Auf Anhieb weiß sie selbst nicht genau, an wievielen Weltmeisterschaften sie teilgenommen hat. 2005 das Debüt in Helsinki, vor zwei Jahren die Babypause, nun Doha. Macht sieben, eine ganze Menge also, und auch die Erfolge sprechen für sich. 2013 wurde sie Vize-Weltmeisterin, zwei Jahre später Weltmeisterin, außerdem 2014 und 2016 Europameisterin und im vergangenen Jahr bei der Heim-EM in Berlin Zweite.
"Glücklich, stolz und zufrieden"
In Doha sicherte sie sich mit Bronze ihr zehntes Edelmetall bei einem internationalen Großereignis. Ein Erfolg, der sie emotional berührt wie kein anderer. "Ich bin stolz auf jede meiner Medaillen. Aber es ist für mich ein kleines Gold. Weil das die Medaille ist, die ich mir am Schwersten erarbeitet habe", sagt sie sportschau.de. Nach Verletzungsproblemen und der Geburt ihrer Zwillinge vor zwei Jahren hatte so mach einer Zweifel, ob die 33-Jährige wieder Anschluss an die Weltspitze finden könnte. Dass es gelang, macht sie "glücklich, stolz, zufrieden, in mir ruhend - alles zugleich. Dieses Jahr war so schwer, mit Kindern, mit Studium, mit Leistungssport, ich bin auch keine 18 mehr."
Tokio fest eingeplant
Familie, Leistungssport, dazu seit diesem Jahr ein Studentin für Sozialpädagogik. "Das war ein bisschen viel. Ich muss auch Zeit für mich haben, um geistig zu regenerieren", schildert die Sächsin. "Das nächste Jahr wird viel einfacher für mich, weil die Zwillinge dann länger im Kindergarten sind. Da kann ich noch härter trainieren."
Die Sommerspiele in Tokio sind fest eingeplant, eine olympische Medaille fehlt noch in Schwanitz' imposanter Erfolgsbilanz. Die Dresdnerin macht sich keinen Druck, auch nicht bei der Entscheidung, wie lange sie ihre Karriere noch fortsetzen will. "Es macht mir noch Spaß. Ich trainiere immer noch gern und es reizt mich immer noch zu wissen, wo ich Grenzen verschieben kann." Gut möglich also, dass eine achte WM folgt.
"Ich will vorangehen"

Christina Schwanitz (l.) im Sportschau-Interview.
Medaillen sind dabei mittlerweile mehr Bestätigung denn Antrieb: "Ich will vorangehen und anderen Frauen zeigen, dass man auch mit Kindern in der Weltspitze arbeiten kann. Das ist für mich ein ziemlich starkes Ziel geworden, weil ich diese Vorbildfunktion toll finde. Und man kann nur Vorbild sein, wenn man etwas dafür tut", betont die WM-Dritte, ohne die das Kugelstoßen ohnehin nur schwer vorstellbar scheint: "Ich denke, solange das läuft und meine Kinder sich nicht beklagen, dass ich schon wieder weg bin, mache ich auch Sport."
WM-Vergabe: "Es ging nur um die Kohle"
Trotz ihres emotionalsten Karriereerfolgs erneuerte die siebenmalige deutsche Meisterin ihre Kritik an der WM-Vergabe nach Katar. "Dabei ging es nicht pro Athleten oder pro die Zuschauer oder pro ein Land, sondern einfach nur um die Kohle. Und hier werden Athleten dafür verheizt, denn sie sind austauschbar. Der beste Weg wäre, wenn die Korruption aufhören würde. Und wenn man versuchen würde, fair miteinander umzugehen, wie wir im Sport."
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Hintergrund
"Super-Mamas": Erfolgreiche Mütter im Weltsport
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Lassen sich Leistunggsport und Familie vereinbaren? Heike Drechsler (heute 54) hat schon vor fast 30 Jahren eine Antwort darauf. Die Weitspringerin bringt 1989 Sohn Toni auf die Welt und holt als Mama Olympia-Gold in Barcelona (1992) und Sydney (2000).
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Therese Alshammer (42) und ihr Trainer Johan Wallberg werden im Juni 2013 Eltern eines Sohnes. Die Schwedin kehrt dennoch ins Becken zurück und nimmt 2016 als erste Schwimmerin zum sechsten Mal an Olympischen Spielen teil. Bei der Eröffnungsfeier in Rio trägt sie die Fahne ihres Landes.
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Wenige Monate nach der Geburt ihrer Zwillinge zeigt sich Kugelstoßerin Christina Schwanitz (33) im Dezember 2017 an der Seite ihres Mannes Thomas bei der Gala zur Ehrung der "Sportler des Jahres" in Baden-Baden - überglücklich, aber auch ein bisschen gestresst vom Bewegungsdrang ihrer "Krümel".
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Die norwegische Skilangläuferin Marit Björgen (39) bringt 2015 Söhnchen Marius zur Welt. Nach einem Jahr Auszeit gewinnt sie 2017 in Lahti vier WM-Titel, 2018 folgen in Pyeonchang noch zweimal Olympia-Gold für die Rekordweltmeisterin.
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Die immer noch aktive Kunstturnerin Oxana Tschussowitina (44) aus Usbekistan ist bereits Team-Olympiasiegerin, Mannschafts-Weltmeisterin und hat WM-Gold am Boden gewonnen, als sie 1999 ihren Sohn Alisher zur Welt bringt. Vier Jahre später wird sie Weltmeisterin beim Sprung. Aktuell will sie sich für Tokio qualifizieren - es wären ihre achten Olympische Spiele.
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Geherin Hong Liu aus China bejubelt in Doha ihr drittes WM-Gold über 20 Kilometer - und das erste nach ihrer Babypause.
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Ihre Tochter Jada Ellie wird 2008 geboren, danach gewinnt Kim Clijsters (36) noch sieben weitere Tennisturniere, unter anderem die US Open 2009 und 2010 sowie die Australian Open 2011. Im August 2012 beendet die Belgierin zum zweiten Mal ihre Karriere. Im September 2019 kündigt die inzwischen dreifache Mutter ein erneutes Comeback für das Jahr 2020 an.
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Vier Monate nach der Geburt ihrer Tochter Xenia stürmt die Biathletin Darja Domratschewa (33) in Hochfilzen zu WM-Silber in der Verfolgung hinter Laura Dahlmeier. Danach gelingen ihr noch einige Weltcupsiege und Olympia-Silber 2018 in der Verfolgung und Gold mit der Staffel. 2018 beendet sie ihre Karriere.
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Allyson Felix (33) herzt ihre Tochter Camryn. Nur zehn Monate nach ihrer Geburt gewinnt die US-Amerikanerin in Doha ihren zwölften WM-Titel - mit der 4 x 400 m-Mixed-Staffel der USA.
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Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig (33) kehrt nach der Geburt ihres Sohnes Teo Johnston im Sommer 2018 Anfang 2019 in den Sand zurück und sichert sich mit neuer Partnerin nach anfänglichen Schwierigkeiten den Titel beim World-Tour-Finale in Rom. Olympia in Tokio ist das große Ziel.
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Im US-Fußball gibt es gleich mehrere "Soccer Moms". Bekannt ist vor allem Christie Pearce (44/l.), die 2015 unter ihrem früheren Namen Rampone als zweifache Mutter Weltmeisterin wird. Aus dem aktuellen Weltmeisterteam der USA ist Jessica McDonald bereits Mutter.
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Barbora Spotakova (38) geht schon seit 2013 mit Söhnchen Janek auf Reisen. Die tschechische Speerwerferin holt nur 15 Monate nach seiner Geburt EM-Gold und 2017 in London den WM-Titel. "Ich bin eine glückliche Frau", sagt sie.
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2009 bringt Dressur-Königin Isabell Werth (50) Sohnemann Frederik auf die Welt. Werths Medaillensammlung ist seither weiter gewachsen, mit Olympia-Gold 2016 mit der Mannschaft als Höhepunkt.
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Eine Sprintkönigin mit ihrem größten Schatz: Nach ihrem vierten WM-Titel über 100 Meter in Doha wartet auf Shelly-Ann Fraser-Pryce (32) im Ziel Söhnchen Zyon. Die Jamaikanerin richtet danach einen flammenden Appell an Sportlerinnen, die eine Familie gründen wollen: "Die Show von uns Frauen geht weiter!"
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Serena Williams (37) wäre nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia am 1. September 2017 nach eigenen Angaben "fast gestorben". Seit ihrem Comeback hat die Tennis-Mama noch kein Turnier gewonnen. Sie verspüre weniger Druck, seit sie Mutter ist, sagt sie, verschweigt aber auch die schweren Stunden nicht: "Sie hat ihre ersten Schritte gemacht ... Ich habe trainiert und es verpasst. Ich habe geweint", twittert Williams während des Turniers in Wimbledon 2018.
Stand: 05.10.19 14:45 Uhr