
Busemanns WM-Kolumne
Kolumne: Weltmeisterliches Leistungsniveau in Doha
Die Leichtathletik-WM in Doha hat gezeigt, dass immer mehr Nationen auf hohem Niveau mitmischen. Daraus muss der DLV die richtigen Schlüsse ziehen, meint Frank Busemann in seiner Kolumne.
Und schon sind wir wieder am Ende einer denkwürdigen Weltmeisterschaft. Claus Lufen fragte mich am Ende unserer Sportschau-Übertragung, was mir von den letzten zehn Tagen im Gedächtnis bleibt. Wenn ich zurückdenke, fällt mir als Erstes diese unglaubliche Wärme - gepaart mit hoher Luftfeuchtigkeit - ein, die ich auch am letzten Tag beeindruckend hoch fand. Die Zuschauerzahlen entwickelten sich von "nicht vorhanden" auf ein wirklich erträgliches Maß - ein versöhnlicher Abschluss der Veranstaltung.
Alle wollen sich was vom Medaillenkuchen abschneiden
IAAF-Präsident Sebastian Coe hob hervor, dass er die Marke und Sportart Leichtathletik in die ganze Welt transportieren wolle. Was blieb ihm auch anders übrig? Die Veranstaltung wurde vor seiner Amtszeit nach Katar gegeben.
Wenn wir in den Medaillenspiegel der WM schauen, dann sind da Stand Samstagabend (05.10.2019) 40 Nationen, die Medaillen gewonnen haben. Von A wie Australien bis V wie Venezuela gibt es Interessenten. Die Leichtathletik ist Laufen, Springen, Werfen. Ganz einfach. Kann jeder, macht jeder. Der eine gut, der andere richtig gut. Jetzt fragt sich der geneigte Zuschauer, warum wir in Deutschland mit 71 Athletinnen und Athleten bei 147 zu vergebenden Medaillen nur vier Prozent vom Kuchen abbekommen (ich rechne mit sechs Medaillen, also, Johannes Vetter und Malaika Mihambo, lasst mich nicht hängen, sonst hat mein Beitrag hier einen Rechenfehler). Bei etwas über 2.000 Teilnehmern entspricht das Verhältnis in etwa genauso viel. Und das wollen alle Nationen. Das Niveau der globalen Leichtathletik war in Doha auf einem erstaunlich hohen Niveau.
Einen Technologie-Vorsprung gibt's nicht mehr
Zwei Weltrekorde, ein Kugelstoß-Wettkampf der Superlative, eine monströse Show im Frauen-Diskuswurf, ein offener Schlagabtausch im Stabhochsprung, schnelle Mittelstrecken während einer Meisterschaft und gute Weitsprünge sind nur ein paar Eckpfeiler eines Trends, der nach oben geht.
Die Welt-Leichtathletik muss den Kuchen globaler aufteilen. Der Technologie-Vorsprung, den wir in manchen Disziplinen mitbrachten, ist aufgebraucht, kopiert, weiterentwickelt und verbessert.
Was können wir von anderen lernen?

Nicht nur beim Hürdensprint kommt es auch auf die richtige Technik an.
Die deutsche Mannschaft hat sich nichts vorzuwerfen. Es gibt in einem Team mit vielen Individuen immer Out- und Underperformer. Solange die persönlich beste Leistung erbracht wurde, ist alles gut. Dann kann sich keiner was vorwerfen.
Es gab widrige Bedingungen, die man nicht als Entschuldigung gelten lassen darf. Wir müssen über die Grenzen schauen. Was können wir von anderen lernen, ohne unsere Prinzipien zu vergessen? Was können wir kopieren und weiterentwickeln? Wir können das amerikanische System mit seiner patriotischen Schul- und College-Identifikation nicht kopieren. Wir können, wie in anderen Regimen, keine Athleten entmündigen und sie zu Trainingszwecken einsperren. Wir sollten auch sportliche Leistung nicht als Motivation zur Macht- und Stärke-Demonstration verwenden. Machen wir auch nicht.
Früh übt sich ...
Trotzdem ist ein Wissenstransfer in allen Richtungen richtig und wichtig. Viele Sachen kann man verwerfen, andere Dinge kann man verwenden. Das machen deutsche Trainer - die schauen, wie sie das auf ihre Athleten übertragen können. Inhalte müssen auch passen. Einen Diskuswerfer muss man nicht zum Marathonläufer umbauen, das bringt nichts. Aber den Kugelstoßer kann man vielleicht mit der Drehstoß-Technik davon überzeugen, dass er irgendwann ganz weit stößt.
Die deutsche Mannschaft hat immer wieder junge Athleten in ihren Reihen, die nicht heute liefern. Eine Malaika Mihambo war 2013 Teil einer großen, erfahrenen Mannschaft. Heute ist sie eine der Besten der Welt. Weil sie schon früh ausprobieren konnte, wie es sich anfühlt, im Konzert der Großen mitzumischen.
Aufgeben ist keine Alternative!
Tendenzen erkennen, frühzeitig gegensteuern, mitziehen und Trends identifizieren, das ist Aufgabe und Kunst gleichermaßen. Es ist manchmal nicht einfach, weil man sich in einigen Belangen machtlos fühlt. Aber aufzugeben und nichts zu machen, das ist keine Alternative. Machen die anderen auch nicht. Es wird immer schwieriger, Medaillen zu holen - und trotzdem haben wir welche.
Neuer Abschnitt
Titelträger
Alle Weltmeister von Doha
-
Die erste Goldmedaille der Leichtathletik-WM 2019 in Doha sichert sich Ruth Chepngetich beim Marathon der Frauen. Die Läuferin aus Kenia gewinnt in 2:32:43 Stunden.
-
Das zweite Gold wird beim Hammerwurf der Frauen vergeben. Dabei schleudert mit 77,54 m keine das Gerät so weit wie die Amerikanerin DeAnna Price.
-
Im Finale der Frauen über 10.000 m bleibt die Niederländerin Sifan Hassan lange im Hintergrund und gewinnt letztlich nach 30:17,62 Minuten.
-
Zum ersten Gold der Männer fliegt Tajay Gayle aus Jamaika beim Weitsprung mit 8,69 m.
-
In der wohl populärsten Disziplin, dem 100-m-Sprint, ist bei den Männern der Amerikaner Christian Coleman mit 9,76 Sekunden der Schnellste.
-
In der nächtlichen Hitze der katarischen Hauptstadt gewinnt der Japaner Yusuke Suzuki Gold über 50 km Gehen. Mit einer Siegerzeit von 4:04:20 Stunden war es das mit Abstand langsamste Rennen der WM-Geschichte.
-
Bei den Frauen, die in Doha über 50 km zeitgleich mit den Männern starteten, holt sich die Chinesin Liang Rui in 4:23:26 Stunden den Titel.
-
Nach einem harten Duell mit der Amerikanerin Sandy Morris überquert Stabhochspringerin Anschelika Sidorowa aus Russland 4,95 Meter und holt sich Gold.
-
In der Mixed-Staffel zeigen die USA wiederholt, was für eine Macht sie sind, wenn es ums Laufen geht. Sie holen Gold über 4x400 m und stellen dabei in 3:09,34 Minuten einen Weltrekord auf.
-
Drei Sprünge aufs höchste Treppchen: Christian Taylor ist Weltmeister im Dreisprung.
-
Keine Frau ist über 100 m schneller als Shelly-Ann Fraser-Pryce. Die Jamaikanerin holt sich in Doha ihren vierten WM-Titel über diese Strecke.
-
Hong Liu heißt die Siegerin im 20 km Gehen. Genau wie die Silber- und Bronzemedaillengewinnerin kommt sie aus China, das somit auf dieser Strecke einen Dreifach-Triumph feiert.
-
Beim Finale der Männer über 5.000 m sieht es bis zur letzten Runde nach einem europäischen Erfolg durch Jakob Ingebrigtsen aus. Letztlich zieht der Äthiopier Muktar Edris aber an und verteidigt nach 12:58,85 Minuten den WM-Titel.
-
Über 3.000 m Hindernis der Frauen ist keine so schnell und geschickt wie Beatrice Chepkoech (M.) aus Kenia, die nach 8:57,84 Min. mit großem Vorsprung als Erste einläuft. Gesa Felicitas Krause (l.) wird hinter Emma Coburn Dritte und holt damit die erste Medaille für das deutsche Team in Doha.
-
Beim Diskuswurf der Männer schleudert keiner die Scheibe so weit wie Daniel Stahl. Der Schwede holt sich mit 67,59 m den ersten Platz.
-
Unter neutraler Flagge tritt die Russin Marija Lassizkene beim Hochsprung der Frauen an. Mit 2,04 m gewinnt sie ihren dritten WM-Titel in Serie.
-
Über zwei Runden und damit 800 m ist keine schneller als Halimah Nakaayi aus Uganda, die nach 1:58,04 Min. ins Ziel kommt.
-
Tempo und Geschicklichkeit vereint über 400 m Hürden keiner so gut wie Karsten Warholm. Der Norweger überquert die Ziellinie nach 47,42 Sek. und verteidigt so seinen WM-Titel.
-
Einen Krimi liefern sich die Stabhochspringer im Finale, in dem letztlich Sam Kendricks aus den USA mit 5,97 m nur aufgrund weniger Fehlversuche das bessere Ende für sich hat und seinen WM-Titel verteidigt.
-
Im Finale der Männer über 800 m läuft Donovan Brazier aus den USA seine eigenen Bahnen und gewinnt nach 1:42,34 Min. souverän den Titel.
-
Die australische Speerwerferin Kelsey-Lee Barber wirft ihr Arbeitsgerät im letzten Durchgang 66,56 m weit und springt damit vom vierten noch auf den ersten Platz.
-
Das Finale der Männer über 200 m dominiert Noah Lyles aus den USA, der nach 19,83 Sek. die Ziellinie überquert und Gold gewinnt.
-
Beim Pendant der Frauen führt kein Weg an Dina Asher-Smith vorbei. Die Britin sprintet in 21,88 Sek. zu Gold.
-
Im Finale der Männer über 110 m Hürden läuft Grant Holloway aus den USA wie im Semifinale 13,10 Sek. - was im Halbfinale noch zweitbeste Zeit war, reicht diesmal zum ersten Rang.
-
Die Dominanz in Person ist Pawel Fajdek: Der Pole wirft seinen Hammer 80,50 m weit und gewinnt damit den vierten WM-Titel in Folge.
-
Beim Kugelstoßen der Frauen beweist Lijiao Gong aus China ihre Stärke und stößt mit 19,55 m wie in London 2017 am weitesten.
-
Bei der Entscheidung der Frauen über 400 m zeigt Salwa Eid Naser aus Bahrain eine überragende Leistung und gewinnt Gold mit der drittschnellsten Zeit der Geschichte (48,14 Sek.).
-
Die Siebenkämpferinnen liefern sich einen spannenden Wettkampf, den die Britin Katarina Johnson-Thompson mit 6.981 Punkten (Weltjahresbestleistung) gewinnt.
-
Beim Pendant der Männer, dem Zehnkampf, liefert Niklas Kaul am zweiten Tag ein Spektakel und gewinnt sensationell mit 8.691 Punkten Gold. Er ist mit 21 Jahren der jüngste Zehnkampf-Weltmeister der Geschichte.
-
Beim Finale der Frauen über 400 m Hürden sorgt Dalilah Muhammad aus den USA für einen Paukenschlag und gewinnt Gold in 52,16 Sekunden - Weltrekord!
-
In einem Herzschlag-Finale der Männer über 3.000 m Hindernis kommt der Kenianer Conseslus Kipruto durch eine herrliche Aufholjagd nach 8:01,35 Min. (Weltjahresbestleistung) hauchdünn als Erster ins Ziel.
-
Beim Diskuswurf der Frauen präsentiert sich die Jahresbeste Yaimé Pérez aus Kuba in Topform und gewinnt mit einer Weite von 69,17 m ihr erstes WM-Gold.
-
Beim Hochsprung der Männer hat der Lokalmatador Mutaz Essa Barshim aus Katar seinen großen Auftritt. Der Weltmeister von 2017 wird vom Publikum zu seiner Titelverteidigung mit 2,37 m gepusht.
-
Im Finale der Männer über 400 m lässt Steven Gardiner von den Bahamas die Konkurrenz souverän hinter sich und gewinnt Gold in 43,48 Sek.
-
Das Gehen der Männer wird von den Gastgebern der kommenden Olympischen Spiele dominiert. Der Japaner Toshikazu Yamanishi gewinnt die Hitzeschlacht über 20 km. Sein Landsmann Yusuke Suzuki hatte über 50 km triumphiert.
-
Beim Finale der Frauen über 1.500 m vollbringt Sifan Hassan Historisches: Die Niederländerin ist die erste Athletin, die Gold über 10.000 und eben jene 1.500 m bei einer WM gewinnt. Die Zeit von 3:52,95 Min. bedeutet zudem Europarekord.
-
In einem furiosen Finale der Kugelstoßer lässt Joe Kovacs sein Arbeitsgerät 22,91 m weit fliegen und gewinnt Gold hauchdünn mit einem Zentimeter Vorsprung.
-
Im Finale der Frauen über 5.000 m lässt Hellen Obiri aus Kenia ihren Kontrahentinnen keine Chance und gewinnt mit einem Start-Ziel-Sieg in 14:26,72 Min. WM-Gold. Damit verteidigt sie ihren Titel von London 2017.
-
Hop, Step, Jump: Den Dreisprung der Frauen dominiert Yulimar Rojas aus Venezuela mit deutlichem Vorsprung und einer Weite von 15,37 m. Der Lohn ist wie 2017 in London der WM-Titel.
-
Im Finale der Frauen über 4x100 m lässt die Staffel von Jamaika mit Jonielle Smith, Natalliah Whyte, Shelly-Ann Fraser-Pryce und Shericka Jackson (v.l.) keinen Zweifel an ihrer Stärke aufkommen und gewinnt Gold in 41,44 Sek. (Weltjahresbestleistung).
-
Bei der Männer-Staffel über 4x100 m liefern die USA um Schlusssprinter Noah Lyles ganz großen Sport ab. Perfekte Übergänge und enormes Tempo münden in der zweitbesten je gelaufenen Staffel-Zeit: 37,10 Sek.
-
Im Marathon der Männer hatte Lelisa Desisa aus Äthiopien im Zielspurt das bessere Ende für sich: Der 29-Jährige gewann mit vier Sekunden Vorsprung vor seinem Landsmann Mosinet Geremew.
-
Das Finale der Männer über 1.500 m dominiert Timothy Cheruiyot aus Kenia. Nach Silber 2017 gewinnt der 23-Jährige in 3:29,26 Min. endlich Gold.
-
Nicht ganz so dominant, aber nicht minder erfolgreich ist Joshua Cheptegei aus Uganda im Finale der Männer über 10.000 m unterwegs. Er gewinnt in 26:28,36 Min. nach Silber in London 2017 nun sein erstes WM-Gold.
-
Überglücklich darf auch Nia Ali aus den USA sein. Die Hürdensprinterin "fliegt" im Finale über 100 m in 12,34 Sek. zum WM-Titel.
-
Was für ein Sprung: Im Weitsprungfinale der Frauen stellt Malaika Mihambo die Konkurrenz in den Schatten. Sie springt fantastische 7,30 m (persönliche Bestweite) und gewinnt nach EM-Gold 2018 nun auch zum ersten Mal WM-Gold.
-
Erster WM-Titel für Anderson Peters aus Grenada: Der 21-Jährige setzt sich im Speerwurf-Finale in Doha mit einer Weite von 86,89 m durch und verweist den Weltjahresbesten Magnus Kirt aus Estland sowie Johannes Vetter aus Offenburg auf die Plätze zwei und drei.
-
Die abschließenden Entscheidungen werden bei den Staffeln gesucht: Schlussläuferin Wadeline Jonathas läuft für die 4x400-m-Staffel der USA als Erste ins Ziel und sichert den Amerikanerinnen Gold.
-
Auch in der 49. und letzten Entscheidung der WM in Doha jubeln die USA: Michael Cherry, Wilbert London, Rai Benjamin und Fred Kerley (v.l.) gewinnen das Finale über 4x400 m vor Jamaika und Belgien. Die USA stehen am Ende der Weltmeisterschaften mit 14 Gold-, elf Silber- und vier Bronzemedaillen an der Spitze des Medaillenspiegels.
Stand: 06.10.19 15:28 Uhr