
Busemanns WM-Orakel
Busemanns WM-Orakel: Mihambo mit der Bürde der Qualität
Eine deutsche Stakkato-Siebenmeter-Weitspringerin, ein Stabhochsprung-Trio im Sechs-Meter-Rausch und ein Hochspringer, der das Stadion abreißt: Frank Busemann blickt in seinem WM-Orakel auf die Sprungwettbewerbe in Doha voraus.
Was jahrelang lediglich einer deutschen Athletin im Stakkatotakt vorbehalten war, wiederholt sich 2019 scheinbar nach Belieben: sieben Meter. Wenn es nach Malaika Mihambo geht relativ einfach: schnell anlaufen, gut abspringen, spät landen. Zack, gewonnen. Atemberaubend. Immer wieder. Mit Leichtigkeit hat sie die internationale Elite im Griff. Wie einst eine Heike Drechsler. Das macht die Sache nicht leichter. Nach der Vorstellung in den Monaten vor Doha ist alles andere als der Sieg nicht das, was sie will. Traurig, aber wahr. Die Bürde der Qualität ist, dass man der Enttäuschung immer näher als der Überraschung ist. Wir wünschen ihr eine normale Leistung. Das würde reichen. Wahnsinn.
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Deutsches Team
Die deutschen Medaillenkandidaten in Doha
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Deutschlands größte Goldhoffnung heißt Malaika Mihambo. Die Europameisterin springt die sieben Meter seit dieser Saison in Serie und tritt in Doha als Nummer eins der Welt an. Als erste deutsche Weitspringerin machte sie wenige Wochen vor der WM den Gesamtsieg in der lukrativen Diamond League perfekt. Bescheiden bleibt die stille, sympathische Hoffnungsträgerin dennoch.
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Johannes Vetter tritt als Titelverteidiger in Katar an und bescherte dem DLV damit einen vierten Startplatz im Speerwurf der Männer. Der amtierende Weltmeister zeigte nach Verletzungsproblemen zuletzt aufsteigende Tendenz und hofft auf den nächsten großen Coup. Doch auch Olympiasieger und Europameister Thomas Röhler, der deutsche Meister Andreas Hofmann und Julian Weber sind alles andere als chancenlos. Bemerkenswert: Weber erhielt seinen Startplatz vom ursprünglich nominierten Bernhard Seifert, der wegen Formschwäche freiwillig verzichtete.
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Konstanze Klosterhalfen ließ lange offen, ob sie über 1.500 oder 5.000 m antritt. Sie entschied sich für die längere Strecke. Das federleichte Jahrhunderttalent ist in diesem Jahr in der absoluten Weltklasse angekommen. Die deutschen Rekorde purzeln reihenweise, und hat die 22-Jährige vor zwei Jahren bei ihrem WM-Aus im Vorlauf über 1.500 m noch Lehrgeld gezahlt, ist sie mittlerweile auch taktisch gewieft. Ihr Ziel ist das Finale, doch sogar die Chance auf eine Medaille ist da.
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Die Konkurrenz mit unter anderem den USA und Jamaika ist stark. Doch bei Staffelrennen weiß man nie: An einem guten Tag und mit etwas Glück besitzt das DLV-Sprintquartett um Gina Lückenkemper (im Bild vorne) und Tatjana Pinto durchaus Medaillenchancen. 41,67 Sekunden Anfang September beim ISTAF in Berlin waren eine Ansage von Deutschlands schnellsten Frauen.
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Mit der erfahrenen Nadine Müller (im Bild), der deutschen Meisterin Kristin Pudenz und der deutschen Jahresbesten Claudine Vita hat der DLV im Diskuswurf gleich drei Eisen im Feuer. Die Kubanerinnen Perez und Caballero dürften den Sieg unter sich ausmachen und die in den vergangenen Jahren dominierende Sandra Perkovic ist auch noch da. Doch mit etwas Glück kann das Trio um Bronze mitwerfen.
Vorteil Echevarria und Manyonga im Wüstensand
Bei den Herren musste der EM-Zweite Fabian Heinle seine Saison zugunsten der Olympia-Vorbereitung beenden und schaut nun von zu Hause zu, wie sich die Athleten im Wüstensand von Doha duellieren. Im Weitsprung ist im Allgemeinen das Problem bekannt, dass der Blick auf die Weltrangliste nur bedingt aussagekräftig ist, da immer mal wieder ein Sprung rausrutscht (siehe den Südafrikaner Zarck Visser mit 8,41 m oder Shoutarou Shiroyama aus Japan mit 8,40 m). Interessanter sind da Leistungen, die bei großen Meetings erzielt wurden und sich in anderen Wettkämpfen bestätigen. Deshalb sind der Kubaner Juan Miguel Echevarria und der Titelverteidiger Luvo Manyonga klar im Vorteil.
Ein Stab-Trio mit Höhen jenseits der sechs Meter
Im Stabhochsprung ist die Vorherrschaft des Renaud Lavillenie endgültig beendet und mit Sam Kendricks, Piotr Lisek und dem jungen Armand Duplantis gleich dreifach bei Höhen jenseits der sechs Meter besetzt. Kendricks sah beim ISTAF in Berlin am Ende nicht mehr ganz frisch aus. Es bleibt abzuwarten, wie er die vier Wochen vor Doha genutzt hat. Wenn die drei gesund sind, werden sie die drei Medaillen unter sich ausmachen. In der Disziplin, die jahrelang den Hoffnungsvollsten im DLV gehörte, sind wir sogar mit drei Startern vertreten. Der Weltmeister von 2013, Raphael Holzdeppe, ist nach kurzer Durststrecke wieder im Bereich von 5,80 m angekommen. Bei ihm wird es darum gehen, unter die Top Sechs zu kommen. Bei Torben Blech und Bo Kanda Lita Baehre steht die Qualifikation für das Finale im Vordergrund.
Stefanidi erste Anwärterin auf Gold - wieder mal
Bei den Damen muss Lisa Ryzih in der Qualifikation ihre beste Höhe im ersten Versuch springen, um in die Runde der letzten Zwölf einzuziehen. Höhen jenseits der 4,70 m, wie in den vergangenen vier Jahren, sind in 2019 noch nicht geschafft. Der Titel wird mit der ersten Höhe jenseits der 4,80 m vergeben - und die Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Ekaterini Stefanidi ist wieder mal erste Anwärterin auf Gold.
Für Katharina Bauer werden die Weltmeisterschaften eine besondere Belohnung, da sie in der Halle mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machte und die IAAF eine Einladung aussprach. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sie mit implantiertem Defibrillator springt. Das ist für sie kein Hinderungsgrund auf Top-Niveau Sport zu machen.
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Hochsprung: Przybylko kann überraschen
Der Hochsprung sollte die Show des katarischen Superspringers Mutaz Essa Barshim werden, doch ein missglückter Weltrekordversuch im Juli 2018 warf seine Pläne über den Haufen. Im Jahr 2019 stand die Weltjahresbestleistung bei den Männern lange bei 2,33 m. Das war im vorherigen Jahrtausend letztmalig der Fall. Seit dem Europa-USA-Vergleich liegt die Bestmarke endlich bei 2,35 m. Trotzdem stehen die Chancen für eine Vielzahl von Springern gleich gut. Deutschlands Europameister Mateusz Przybylko kommt rechtzeitig in Fahrt und kann überraschen. Wer kann am besten pokern? Wer hat die besten Nerven? Der erste Versuch über 2,35 m wird Weltmeister.
Hey, Lassizkene und Demireva, schaut Euch mal den Mateusz an!
Bei den Frauen wird die leidenschaftliche Tätigkeit des professionellen Weltklassesports leicht mit einer Trauerfeier verwechselt. Freuen verboten. Oder wer zuerst lacht, verliert. Im vergangenen Jahr bei der EM bestachen die haushohe Favoritin und Seriensiegerin Marija Lassizkene und Mirela Demireva bei einem hochklassigen Krimi durch ausgeprägte Emotionslosigkeit. Schaut Euch mal den Mateusz an, der reißt das Stadion ab!
Immer freundlich und gut gelaunt hingegen ist Deutschlands verbliebene Springerin Imke Onnen. Für sie wird der Einzug ins Finale oberste Priorität besitzen. Kurzfristig ins WM-Aufgebot kam mittels IAAF-Einladung die junge Dortmunderin Christina Honsel. Glücklicherweise war sie noch voll im Training und kann den Auftritt als Zugabe für eine tolle Saison nutzen.
Dreisprung: Taylor oder Claye? Aber ganz sicher Rojas
Der Dreisprung findet leider ohne deutsche Beteiligung statt, nachdem Max Heß seine Teilnahme verletzungsbedingt absagen musste. Die beiden Amerikaner Christian Taylor und Will Claye werden mit Sprüngen um die 18 m den Titel unter sich ausmachen.
Nicht ganz so sicher, aber ähnlich weit, dürfte es für Yulimar Rojas gehen. Anfang September sprang sie mit 15,41 m die zweitbeste Weite, die jemals erzielt wurde. Sie wird mit 15 m die Konkurrenz gewinnen. Schade aus deutscher Sicht ist, dass Deutschlands Rekordlerin Kristin Gierisch angeschlagen passen musste. Für Neele Eckhardt ist die späte Nominierung ein Bonbon für die diesjährige Saison. Sie wird mit Lockerheit und Genuss versuchen, aus drei mal drei Bodenkontakten viel zu machen.
Deutsches Team
Stand: 25.09.19 10:00 Uhr